Ich ging zu meinem wilden Apfelbaum und schüttelte ihm eine Ophelia vom Ast.
Steppenwind
Du, mit dem verwitterten Blick
unter’m dunklen Gewölbe,
wo bist Du geboren?
Da, wo der Sonnenwind
salzige Dünen ins Land faltet
und Gesichter flächige Schatten
auf Plätze werfen –
nur ein Wort breit
von Deinem Haus entfernt.
Sommerlager
Ich brachte so viele Tage Sommer heim.
Ihre Schatten knüpfte ich an bleiche Fasern
und ihre dunklen Beeren
ließ ich perlen
durch gleißende Mondlachen.
Ihren Saft heben wir auf
für Tage von kühlerem Blau.
Kopf im Sand
Ich hab zu lange in den Sand geschaut
und bin aufgetaucht
mit nebelblanken Quartzen
– Augenandacht –
am Sonntagvormittag
bevor ich mir
mit einem Kormoran
die Perspektive teile
Im aufgeräumten Tag
sind die Wolken quadratisch vergittert
scheint die Sonne wie sonntags
gibt es überall Parklücken
gemäßigte Schritte
untergehakte Paare
riecht es nach gekochten Eiern
ohne Brötchen jedoch
seh ich im Spiegel
dass nichts mehr zusammenzieht
mein Gesicht
zur Mitte hin
Berlin, 4.2.2023
Der blaue Reiter
milchig dämmernder Flieder
mit einem Schwarm Wildenten,
der flach vorbeischwirrt
oder einfach vorbei, ohne Schwirren
in der Stunde, bevor das Grau kommt,
bevor das eine Blau alles nimmt.
und dann: das blaue Pferd,
im Galopp, ohne Reiter,
in einem Bergkegel
kant-hinan,
bevor es,
wie alles,
in dem einen Blau
davonschwimmt.
Hangabwärts
mit den Bäumen rutsche ich den steilen Hang abwärts,
sonnengespült,
mit knackendem Moos unter den Füßen.
und doch: selbst hier,
in dieser Waldwüste,
diesem Baumgewerbegebiet,
grünt es
ganz unerschrocken.
Kärnten, Ostern 2022
Bahnhof Kassel, Sonntagvormittag, Regen
Nur die Automaten sprechen und die, die
immer etwas erklären müssen.
Land im Dunst.
Für Wolf, 29. August 2021